Als erschüfe er sich die Welt neu
Paul Peterhans bringt Dinge, die die Leute wegwerfen, in ein neues Äusseres und haucht ihnen Leben ein. Bestandteile von Kopierern, Nähmaschinen, alten Druckern, Couvertverpackungsmaschinen, egal was. Verbindet sie mit Riemen und Veloketten, schraubt und lötet Zahnräder an, fügt schliesslich einen kleinen 12-Volt-Präzisionsmotor ein - sein einziges Zugeständnis an die moderne Technik -, und schon surren und klingeln und klimpern sie, diese „technischen Gedichte", wie der Meister seine Werke nennt.
Mühe mit der Technologie
Peterhans ist Züricher und seit 32 Jahren in Chur zu Hause. Vor Jahren hat er Feinmechaniker und Radio- und Fernsehelektriker gelernt. Und in ,,einer Zeit, als gerade das Farbfernsehen aufkam", arbeitete er bei Telefunken in Hannover. Später führte er auch einige Jahre ein eigenes kleines Radio- und Fernsehgeschäft. Doch irgendwann hängte er seinen Beruf an den Nagel, weil er mit der technologischen Entwicklung zunehmend Mühe bekundete, wie er sagt.
Schicksalsjahr 1989
Im Januar 1989 brach er sich bei einem Unfall einen Halswirbel und kämpfte acht Jahre mit den Folgen der Verletzung. Damals, erzählt er, als er im Rollstuhl gesessen sei, habe er sich viele Gedanken gemacht, wie es in seinem Leben weitergehen solle. Und weil er immer ein Typ gewesen sei, der Freude haben müsse an dem, was er mache, habe er begonnen, seinen Bubentraum zu verwirklichen. In seiner Kindheit habe er immer Maschinenkonstrukteur werden wollen. Vor allem die Effizienz, die mit einfachsten mechanischen Mitteln erreicht werden könne, habe ihn fasziniert. Es ist doch beeindruckend, wie kluge Leute eine tonnenschwere Dampflock allein mit Feuer und Wasser zum Fahren gebracht haben, sagt er. Und so entstand das Atelier Paul Peterhans, ein Lebensraum, für die Werterhaltung anderer Art.
Mit Zahnarzteinrichtung am Werk
Eine Dampflok hat Peterhans zwar seither noch nicht konstruiert. Aber jedes Mal, wenn er wieder mit dem Bau einer neuen Maschine beginnt ist es, als erschüfe er sich die Welt neu. Er empfinde eine „unbeschreibliche Befriedigung" den Schrott in eine neue Harmonie zu bringen. Peterhans arbeitet ohne gezeichneten Plan, denn es sei alles in seinem Kopf, was entstehen solle. Sein wichtigstes Werkzeug ist neben dem Schweissbrenner eine alte Zahnarzteinrichtung für die Feinarbeiten: Mit dem Karies-Bohrer schleift, fräst und poliert er, mit dem Pressluftröhrchen bläst er den Staub weg. Überhaupt wirkt Peterhans Werkstatt etwas skurril und offenbart dessen Technophobie auf den ersten Blick. Nur Geräte, die kein normaler Mensch noch gebrauchen würde. Für den Besucher ein unübersichtliches Chaos von Metallteile, Draht, Werkzeug, Schrauben und einer Menge antiquierter Geräte für jeden Künstler aber eine "grosse Ordnung", wie er mit etwas Pathos in der Stimme betont: "Wenn ich die Türe hinter mir zumache, sagt er "bin ich in einer anderen Welt". Einer etwas makaberen Welt zuweilen auch, etwa wenn Peterhans ein künstliches Hüftgelenk aus "hochwertigem Titan" an seine Maschine schweisst. Er habe es mal aus dem Krematorium mitnehmen dürfen, sagt er. Deshalb sei es so schwarz.
Der Kompressor schaltet sich ein. Für Besucher ein ungewohntes, aufschreckendes Geräusch in der Stille des Raumes. Die alte Zahnarztapparatur, umfunktioniert zu einer Allround-Maschine ist es, die - wegen des Laufdrucks über den Kompressor arbeitet. An der Wand hängt eine Uhr. Zeiger fehlen. Die Zeit ist nicht wichtig, wenn Paul seine Maschinen baut.
Jetzt setzt sich auch eine seiner klimpernden technischen Gedichte in Bewegung. Es ist die schwarze Hoovercraft. Kleine Rädchen drehen sich. Die Maschine beginnt zu leben. Zahnräder spielen im Takt ineinander. An den Rhythmus eines Gedichtes erinnernd. Gerne hätte Paul irgendwann einmal so viel Platz, um sieben Meter hohe und sechs Meter lange mechanisch angetriebene Maschinen zu bauen. Bis dieser Wunsch in Erfüllung geht, baut er hoffentlich noch viele kleine seiner kuriosen phantasievollen Maschinchen, die den Alltag verzaubern und viele neue Visionen entstehen lassen.